Drei Jahre sind seit der Ermordung von Jina Mahsa Amini vergangen. Der Auslöser der grössten Proteste gegen die Islamische Republik. Menschen im Iran und in der weltweiten Diaspora schlossen sich zusammen mit dem gemeinsamen Ziel, das verhasste Regime zu stürzen.
Die Solidarität mit der Frau-Leben-Freiheit-Bewegung war atemberaubend. Westliche Politiker*innen schnitten sich auf Bühnen von Zürich bis Los Angeles die Haare ab, um so ihre Verbundenheit mit den iranischen Frauen zu zeigen. Auf Social Media konnte die Revolution live verfolgt werden: Protestaktionen im Iran gingen genauso um die Welt wie die Bilder von 4000 Menschen, die sich in Bern vor dem Bundeshaus versammelten.
Wie wir mittlerweile wissen, ist die Revolution nicht geglückt, noch nicht. Doch der gesellschaftliche Wandel, der in den vergangenen drei Jahren stattgefunden hat, ist enorm. Frauen nehmen sich immer mehr den Platz, der ihnen zusteht. Um nur einige wenige zu nennen: Narges Mohammadi, Nasrin Sotoudeh oder Sepideh Qolian kämpfen wie Löwinnen gegen das Regime.
Die Reaktion des Regimes auf die revolutionäre Bewegung ist nackte Gewalt. Im Herbst 2022 wurden über 20 000 Menschen verhaftet, etwa 800 wurden getötet. Seit dem Abflachen der landesweiten Proteste erleben wir eine massive Hinrichtungswelle. Nach China – wo die genauen Zahlen nicht bekannt sind – werden im Iran weltweit die meisten Menschen exekutiert. 2023 wurden gemäss den Vereinten Nationen über 850 Menschen hingerichtet, 2024 waren es mindestens 975. Ende September 2025 steht der Zähler schon bei 1092.
Meist werden Regimekritiker*innen wegen «Korruption auf Erden» oder «Krieg gegen Gott» angeklagt, beides gilt in der Islamischen Republik als Kapitalverbrechen und kann mit dem Tod bestraft werden. Da der Revolutionsführer Ali Khamenei als «Vertreter Gottes auf Erden» gilt, wird Kritik an ihm und Protest gegen das Regime als «Krieg gegen Gott» gewertet und grausam verfolgt.
Für die Todesurteile werden oft auch Drogendelikte oder Mord vorgeschoben. Durch die Verbreitung von Angst und Terror versucht das Regime, den Widerstand zu brechen, mundtot zu machen, niederzuschlagen. Trotz unerbittlicher Strafen kämpfen die Menschen weiter. Vor drei Jahren wurden sie im Westen dafür gefeiert. Heute scheinen sie kaum mehr jemanden zu interessieren.
Wo ist die Aufmerksamkeit hin? Schauen wir nur dann in den Iran, wenn sich gerade ein «neuer Aufhänger» bietet? Der Helikopterabsturz des damaligen Präsidenten im Mai 2024 war ein solcher Moment. Oder die Scheinwahlen, die im Sommer 2024 darauf folgten. In der Berichterstattung zeigte sich übrigens einmal mehr, wie gerne sich der Westen von der Propaganda eines autoritären Regimes einlullen lässt. Die Aufmerksamkeit der Schweizer Öffentlichkeit hat sich nicht einmal mehr gross geregt, als Anfang 2025 ein Schweizer in einem iranischen Gefängnis unter mysteriösen Umständen ums Leben kam.
Viel spannender war da offenbar der Zwölf-Tage-Krieg zwischen Israel und der Islamischen Republik. Wobei ich etwas angewidert bin von der Tatsache, dass der vermeintlichen Herrlichkeit bunkerbrechender Bomben der USA mehr Bedeutung beigemessen wurde als dem Fakt, dass die Opfer des Krieges Menschen sind und die breite Bevölkerung seither nur noch mehr Gewalt ertragen muss.
Noch mehr als die israelischen Bomben bedroht der eigene Staat die Iraner*innen. Seit Beginn der kriegerischen Auseinandersetzung schlägt der Repressionsapparat mit noch krasserer Gewalt auf die eigene Bevölkerung ein: Über 500 Menschen wurden im Zuge des Kriegs verhaftet, darunter zahlreiche Frauen und Mädchen. Die Vorwürfe lauten «Spionage für Israel», «Propaganda gegen den Staat» und «Verbreiten von öffentlicher Angst». Im Juli, kurz nach dem Waffenstillstand, wurden 64 Menschen hingerichtet, im August 159. Die Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi wird offen mit dem Tod bedroht. Zahlreiche Cafés im ganzen Land – der einzige Ort, an dem für junge Menschen so etwas wie Normalität und ein Hauch von Freiheit aufflackern kann – werden wegen der Missachtung der Kopftuchgesetze geschlossen. Die galoppierende Inflation ruiniert Familien, der Mangel an Medikamenten fordert zahlreiche Tote.
Und trotzdem kämpfen die Iraner*innen weiter gegen das Regime an. Wie wir gesehen haben, hilft ein Eingreifen von aussen den Iraner*innen nicht, die langersehnte Freiheit zu erlangen. Was aber helfen würde, wäre eine echte Unterstützung der Zivilgesellschaft. Gerade jetzt, wo die UN-Sanktionen gegen die Islamische Republik aufgrund des Snapback-Mechanismus des Atomabkommens wieder in Kraft getreten sind, muss der Druck auf das Regime erhöht werden. Die Achtung der Menschenrechte und die Abschaffung der Todesstrafe sind das Mindeste, was jetzt eingefordert werden muss. Der Bevölkerung ging es noch nie um Atomwaffen, sondern immer nur um Freiheit und Würde.