Die Neuen Wege würden zu viele Anglizismen verwenden, beschweren sich LeserInnen. In der Tat: Statt Kapitalismus postulieren wir Commons und Care-Gesellschaft – inklusive Spiritual Care. Wir sind am nächsten Kongress Reclaim Democracy beteiligt: 27. bis 29. Februar 2020 in Zürich. Aber nicht nur Demokratie fordern wir zurück. Wir rufen auch dazu auf, die Heilige Schrift wieder zur Hand zu nehmen: Reclaim the Bible! Unser Ausspruch macht sogar gerade ein bisschen Karriere.
Allerdings verstehen wir das Unbehagen mit diesen Begriffen. Es ist alles so hip. Nach dem gelungenen Relaunch der Neuen Wege erst recht.
Wir müssten uns jetzt übrigens auch Think-Tank nennen, um auf noch breitere Resonanz zu stossen. Wie das geht, machen Gerhard Pfister, CVP-Präsident, und Béatrice Acklin Zimmermann, Theologin an der Paulus Akademie Zürich sowie FDP-Lokalpolitikerin, vor. Sie rufen Think-Tank Kirche/Politik in den Medienwald hinein – und es ruft zurück. Auserkorene Mitglieder lesen allerdings zum Teil erst in der Zeitung, dass sie zu einem Think-Tank gehören.
Die ersten Botschaften aus der Tiefe dieses Think-Tanks, der irgendwie noch gar nicht existiert, erscheinen maximal widersprüchlich. Der Tages-Anzeiger stellt am 7. Januar 2019 im Untertitel fest, dass dieThink-Tank-GründerInnen die Kirchen für ihre Einmischung in die Politik kritisieren. Das ist, was hängenbleibt.
Im Beitrag selbst findet Pfister, dass die Kirche den Schutz des ungeborenen Lebens einfordern, durchaus beim traditionellen Ehebegriff bleiben oder beim Thema Ladenöffnungszeiten eine ethisch saubere Güterabwägung präsentieren sollte. Béatrice Acklin Zimmermann will, dass die Kirchen beim Thema Willkommenskultur für Geflüchtete nicht nur gesinnungsethisch argumentieren, sondern auch das Gemeinwohl berücksichtigen. Politik oder keine?
Wenn Pfister und Acklin Zimmermann es als selbstgerecht bezeichnen, vom moralischen Hochsitz herab zu insinuieren, man wisse, was richtig sei und was falsch, meinen sie natürlich nicht sich selber auf dem Sessel des christlichen Parteipräsidiums oder auf dem Zürcher Bürostuhl einer konfessionellen Akademie. Es sind die andern, die moralisieren, die nicht differenzieren. Die Kirchen sollten sich breiter und mit eigenen Themen in den politischen Diskurs einbringen, sagen sie aber doch. Und fahren gleich wieder fort: Wir näherten uns dem Gottesstaat à la Iran, wenn wir Religion und Politik nicht trennten.
Das macht klar: Da ist noch wenig klar. Es gibt viel zu debattieren im Feld von Kirche Schrägstrich Politik. Wir freuen uns aufrichtig, dass der neue Think-Tank genau dies will. Wir würden uns über Einladungen zum demokratischen Diskurs freuen! Wir möchten eigene vermeintliche religiöse und sozialistische Gewissheiten immer wieder in Frage stellen. Zum Beispiel in Begleitung von Karl Barth.
Es nähme uns aber schon wunder, ob es im Gespräch erlaubt sein würde, Grenzen des Framings von Gerhard Pfister zu sprengen, wonach der Westen sich auf seine christlichen Werte besinnen muss, um den islamistischen Terror zu bekämpfen. Oder ob die Paulus Akademie auf ihrer theologischen Mission, dem Kapitalismus das Feinbild-Image zu nehmen, auf Einspruch hört.