Manchmal geht es schnell. Der italienische Lega-Führer und Innenminister macht es vor. Mit einem WählerInnenanteil von eben einmal 17 Prozent in den Parlamentswahlen vom März 2018 treibt Matteo Salvini eine ganze Regierung und den grossen Teil einer Nation vor sich her, wie er will: mit einer rassistischen Politik gegen die Roma, einer fremdenfeindlichen Hetze gegen die Mittelmeerflüchtlinge und einer Kampagne gegen die EU. Der blitzgescheite politische Stratege gibt sich als Mann aus dem Volk und setzt die überforderten Koalitionspartner in seinen Windschatten.
Matteo Salvini ist von Wladimir Putin und von Steve Bannon angetan, er tut seine Freude über die AfD-Erfolge kund, in Polen ist er über das Tempo der Regierung beim Aushebeln der unabhängigen Justiz begeistert, und auf Europaebene will er mit Viktor Orbán gemeinsame Sache machen. Italien ist alles andere als isoliert.
Könnte auch die Schweiz in diese Schieflage geraten, die ein Land nach rechts unten rutschen lässt, und bei der – zumindest in den sozialen Medien – plötzlich ein rationaler Ausgleich kaum mehr möglich scheint? Ist ein helvetisches Chemnitz vorstellbar? Die eidgenössische Variante des Rechtspopulismus ist behäbiger. Sie war zwar – mit schwarzen Schafen, Minarettverbot und restriktiven Asylgesetzreferenden – eher Vorbild als Nachahmerin verwandter Bewegungen. Aber sie ist mit der SVP stärker in das Konsenssystem der direkten Demokratie eingebettet. Neben einem Roger Köppel oder einem Andreas Glarner, die – mit ihrer Bewirtschaftung von Migration, Fremdenfeindlichkeit und Islam – ohne Zweifel bereitstehen, wenn es losgehen sollte, gibt es in dieser durchaus gefährlichen Partei auch einen Berner Regierungsrat Christoph Neuhaus, der sich für die Sinti, Roma und Jenischen einsetzt.
Die SVP zeuselt. Auch mit ihrer Selbstbestimmungsinitiative ist sie anderen einen Schritt voraus. Erdoğan und Putin warten nur darauf, auf die Schweiz verweisen zu können, um sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention zu verabschieden. Die Voraussetzungen stehen gut, dass die breite und intelligente Bewegung gegen die Initiative bis im November weiter zulegt. Die SVP hätte sich dann mit ihrer Brachialdemokratie («Die Mehrheit hat immer recht», «Wir sind das Volk») selber in die Speichen gegriffen. Im heiklen Gleichgewicht von Demokratie und Volksherrschaft auf der einen und Liberalismus, Freiheit sowie Gewaltentrennung auf der anderen Seite könnte es in der Schweiz gelingen, ausgerechnet an der Urne die Menschenrechte zu stärken. Und damit die gegenwärtigen totalitären, illiberalen Tendenzen europäischer Demokratien zurückbinden zu helfen.
Wenn dann an der Urne auch noch Rüstungsexporte zugunsten der Menschenrechte eingeschränkt werden und mit der Konzernverantwortungsinitiative der Menschenrechtsschutz ausgedehnt werden kann, sind die progressiven Kräfte in diesem Land definitiv auf einem produktiven Weg. Human rights first. Es wären wichtige Zeichen in einer Zeit der Salvinis, die noch lange anhalten dürfte.