Die Zeitschrift Neue Wege setzt sich seit 1906 mit Entwicklungen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kirche kritisch auseinander. Die Monatshefte sind am Puls einer Zeit, in der die Fragen nach religiösen Werten und dem Verhältnis von Gesellschaft und Religion(en) kontrovers diskutiert werden.
Sozial, politisch und pazifistisch engagierte Theologen gründeten die Neuen Wege im Jahr 1906. Die Zeitschrift baut seither Brücken zwischen religiösen und theologischen sowie linken gesellschaftspolitischen Diskursen. Die erste Nummer des Gründungsjahres ist noch mit dem betulichen Untertitel Blätter für religiöse Arbeit erschienen. Die damaligen Redaktoren Rudolf Liechtenhan, Benedikt Hartmann und Leonhard Ragaz dachten zunächst nicht an eine Zeitschrift des Religiösen Sozialismus, wie der heutige Untertitel heisst, sondern lediglich an ein Informationsblatt für die Gebildeten aller Stände. Dass die Neuen Wege schon sehr bald dazu übergingen, für die ArbeiterInnenbewegung und gegen den Militarismus Partei zu ergreifen, ist dem überragenden Einfluss von Leonhard Ragaz (1868–1945) zu verdanken. Seine revolutionäre Reichgottestheologie nahm vorweg, was die christliche Ökumene seit den 80er Jahren als ihren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung benennt, neuerdings sogar als «Bekenntnisprozess» zur Überwindung des globalen Kapitalismus. Gerechtigkeit wurde und wird in den Neuen Wegen als demokratischer und genossenschaftlicher Sozialismus verstanden, Frieden als Pazifismus nach Ziel und Methode, Bewahrung der Schöpfung als nachhaltiges Wirtschaften mit sanften Technologien.
Die Neuen Wege haben sich stets in die grossen gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen ihrer Zeit «eingemischt». Sie haben ein Stück Schweizergeschichte des 20. Jahrhunderts mitgeschrieben. Am Ende des Ersten Weltkriegs nahm die Zeitschrift Partei für den Landesstreik vom November 1918, aber gegen den Beitritt der SPS zur Dritten Internationale, der in einer Urabstimmung unter den Parteimitgliedern im September 1919 abgelehnt wurde.
In den Jahren 1942 bis 1944 wurden die Neuen Wege der Vorzensur unterstellt. Der Armeestab begründete die Massnahme mit der angeblich neutralitätswidrigen «Gesamteinstellung der Zeitschrift und ihres Redaktors», der seit den 20er-Jahren vor dem Faschismus und Nationalsozialismus gewarnt hatte. Ragaz stellte darauf das Erscheinen der Neuen Wege ein und verschickte statt dessen die einzelnen Hefte ungebunden und in geschlossenen Briefumschlägen. Im Juli 1944 gab er der wieder erschienenen Zeitschrift den Untertitel Blätter für den Kampf der Zeit.
Nach Ragaz’ Tod im Dezember 1945 war die Vereinigung der Freundinnen und Freunde der Neuen Wege für die weitere Herausgabe der Zeitschrift besorgt. 1977 kamen die aus befreiungstheologischen Impulsen hervorgegangenen «Christen und Christinnen für den Sozialismus» (CfS) dazu und entsandten Willy Spieler (1937–2016) in die Redaktion, während Albert Böhler (1908–1990) die Religiös-soziale Vereinigung vertrat. Die Zeitschrift erhielt den Untertitel: Beiträge zu Christentum und Sozialismus.
Der aktuelle Untertitel Religion. Sozialismus. Kritik zeugt von der Verbundenheit der Neuen Wege mit der religiös-sozialen Bewegung. Die Neuen Wege geben sowohl Kirchen als auch Parteien und sozialen Bewegungen Reflexionsimpulse. Sie tun dies mit theologischen, sozialwissenschaftlichen und ökonomischen Analysen, mit Gesprächen, Erfahrungsberichten, Rezensionen, Meditationen und literarisch-essayistischen Beiträgen. Die Zeitschrift ist der Ökumene und dem interreligiösen Gespräch und Lernen stark verpflichtet. Sie fördert die Arbeit an einer Politik und Kultur, in der die Menschenrechte, Geschlechtergerechtigkeit, Gewaltfreiheit und Mitgefühl zentrale Bedeutung haben.
In einer Medienlandschaft, die von Monokulturen grosser Verlagshäuser geprägt ist und in der journalistische Qualität und demokratische Vielfalt unter Druck sind, bestehen die Neuen Wege als älteste gesellschaftspolitische Monatszeitschrift der Schweiz. Seit ihrer Gründung stehen die Neuen Wege ein für die Freiheit des Wortes und die Unabhängigkeit ihrer Autorinnen und Autoren ein und werden als Stimme der kritischen Öffentlichkeit beachtet.
Die Geschichte der Neuen Wege ist dokumentiert von Willy Spieler, Stefan Howald und Ruedi Brassel-Moser im Buch Für die Freiheit des Wortes. Neue Wege durch ein Jahrhundert im Spiegel der Zeitschrift des religiösen Sozialismus, Zürich 2009.