Gegen den Widerstand der konservativen Kräfte wurde mit der Bundesverfassung von 1848 ein Staat auf nicht-konfessioneller, dafür aber «christlicher» Grundlage geschaffen. Nicht-ChristInnen, also insbesondere Juden und Jüdinnen, hatten dort keinen Anspruch auf die Grundrechte der Religions- und Niederlassungsfreiheit. Josef Lang nennt dies eine «schwerwiegende und verhängnisvolle Fehlentscheidung». Sie wurde erst mit der Bundesverfassung von 1874 korrigiert. Auch hier hatten katholisch-konservative Kreise heftig opponiert – insbesendere gegen die Emanzipation der jüdischen BürgerInnen.
Die katholischen Radikalen trugen jedoch entscheidend dazu bei, dass die Schweiz mit dieser Verfassung ein säkularer Staat werden konnte. Der «radikalen Progression» der frühen 1870er-Jahre folgte «eine konservative Regression, in der es erstmals zu einem nachhaltigen Bündnis der beiden konfessionellen Konservativismen kam», schreibt Lang. Der Freisinn geriet nach dem Ende des Kulturkampfs in eine Orientierungskrise und hat sich bis heute zu einem Wirtschaftsliberalismus gewandelt. Dieser übt zusammen mit den ursprünglich reformierten Nationalkonservativen, die inzwischen aber auch in die katholischen Stammlande eingedrungen sind, die politische Hegemonie in der Schweiz aus – wenn auch nicht immer ganz unbestritten.
Eine erfolgreiche Form der Sicherung von Herrschaft besteht darin, Fragen der Zugehörigkeit zum Gemeinwesen vor allem unter ethnisch-religiösem Aspekt abzuhandeln. Dies geschieht nun auch in der Debatte um die Stellung der MuslimInnen in unserer Gesellschaft. Ihrer rechtlichen Gleichstellung scheint die fehlende Kompatibilität ihrer Religion mit unserer Kultur entgegenzustehen. Dieser Form der Herrschaft durch Aufteilung in solche, die «passen» und jene, die «nicht dazugehören», muss und kann entgegengetreten werden.
Josef Lang benennt im Gespräch mit Pirmin Meier, das den Mittelteil des Bandes bildet, die Gleichstellung von Islam und Judentum mit dem Christentum als eine der grössten Herausforderungen heute. Das Buch macht auf wichtige Erfahrungen, Erfolge und Niederlagen im Kampf um die Integration des «Fremden» aufmerksam und sollte noch breitere Beachtung finden.