In der Republik Genf ist die Trennung zwischen Staat und Kirche besonders scharf. Seit 1907 unterstützt der Kanton Kirchen nicht mehr, sie sind private Körperschaften. Ein so verfasster Laizismus, beeinflusst von der benachbarten französischen Republik, liesse ein entspanntes, distanziertes Verhältnis zu den Religionen erwarten. Aber die aktuelle Reform des Laizismusgesetzes zeigt das Gegenteil. Der Genfer Grossrat debattierte im April hitzig, unversöhnlich und ausufernd über Religion.
Wie der Lausanner Religionssoziologe Philippe Gonzalez erklärt, verfolgte der ursprüngliche Gesetzesentwurf einen Laizismus, bei dem der Staat sich dem religiösen Pluralismus gegenüber geöffnet und mit den vielfältigen Gemeinschaften kooperiert hätte. Damit sollte der historisch gewachsene Laizismus der Separation weiterentwickelt werden. Was im Lauf der Gesetzesarbeit immer stärker Oberhand gewann, ist nun aber eine exklusive Form: Der Staat drängt Religiosität aktiv aus dem öffentlichen Raum.
Das neue Laizismusgesetz ist kein Resultat philosophischer Grundsatzdebatten, es ist Ausdruck einer islamophoben Stimmungsmache populistischer PolitikerInnen. Es unterstellt religiöse Kundgebungen im öffentlichen Raum einem speziellen Regime. Staatsbeamte und ParlamentarierInnen dürfen ihre Religionszugehörigkeit nicht durch äusserliche Zeichen sichtbar machen. Der Staat muss gegebenenfalls heikle Abwägungen treffen: Er kann gegen «sektiererische Abweichungen» vorgehen und zur Verhinderung «schwerer Störungen der öffentlichen Ordnung» das Tragen von «demonstrativen» religiösen Symbolen im öffentlichen Bereich unterbinden. Weitergeführt wird die Möglichkeit für anerkannte Religionsgemeinschaften, über das staatliche Steuersystem Unterstützungsbeiträge zu erheben; dafür hatten sich die Kirchen stark gemacht. Auch sie brachten ihr Befremden zum Ausdruck, dass die Gesetzesentwürfe einen Geist atmeten, der Religionen als Bedrohung für das Gemeinwesen und nicht als Beitrag dazu versteht.