Als Russland 2014 die Krim annektierte und im Donbass den Krieg entfachte, fiel die Reaktion des Westens vergleichsweise milde aus. Namentlich in Westeuropa blieb der Glaube an «Wandel durch Handel» verbreitet. Zudem sollte der Multilateralismus nicht beschädigt werden, der nur ein Jahr später einen beispiellosen Triumph feierte. 2015 verabschiedeten die UNO-Mitgliedstaaten einstimmig drei Dokumente, deren visionäre Kraft und strategische Bedeutung einmalig sind: die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung; das Pariser Klimaabkommen, das die Erdüberhitzung begrenzen und die weltweiten Finanzströme nachhaltig ausgestalten will; und die Addis-Abeba-Aktionsagenda AAAA zur Mobilisierung der Ressourcen für die Umsetzung der Agenda 2030.
Alle drei Dokumente sagen im Grunde dasselbe: Wer heute spart, zerstört die Welt von morgen. Wer eine gemeinsame Zukunft will, darf nicht sparen, sondern muss massiv in den Kampf gegen Armut, Umweltzerstörung und Gewalt investieren und für gute Regierungsführung sorgen. Die UNO schätzte den globalen Investitionsbedarf zum Erreichen der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung auf fünf bis sieben Billionen US-Dollar pro Jahr. Das ist rund das Drei- bis Fünffache der weltweiten Militärausgaben.
2015 war die Hoffnung auf eine Friedensdividende noch intakt. Denn die sensationelle Handlungsfähigkeit des UNO-Systems 2015 war auch Ausdruck einer Periode der globalen Entspannung. Wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI zeigt, gingen die weltweiten Militärausgaben 2010 bis 2015 zurück.
Wenig später war alles anders. Nicht erst der Angriff auf die Ukraine im Februar 2022, sondern bereits die Eskalation des Krieges in Syrien leitete 2015 die Trendwende ein. Im Mai 2015 eroberte der Islamische Staat IS die Stadt Palmyra und kontrollierte nun 50 Prozent des syrischen Territoriums. Der Westen schaute untätig zu, worauf Putin in die Lücke sprang. Im September 2015 setzten die russischen Bombardierungen an der Seite des syrischen Diktators Baschar al-Assad ein. Das verunsicherte, änderte aber wenig an der Konzeptlosigkeit der Politik. Ab 2016 stiegen die weltweiten Militärausgaben wieder kräftig an, ebenso der internationale Rüstungshandel und die Anzahl bewaffneter Konflikte.
Die Aufrüstungsdynamik war freilich höchst ungleich verteilt. In Subsahara-Afrika gingen die Militärausgaben weiter stark zurück, ebenso in Zentralamerika, der Karibik, Südostasien sowie (aufgrund sinkender Erdöleinnahmen) in Iran, Irak, Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten. Auch in Nordafrika und in Südamerika stagnierten die Militärausgaben, ebenso in Russland (aufgrund seiner wirtschaftlichen Probleme). Das massive Wachstum der Militärausgaben ging von wenigen Regionen aus, allen voran den USA, China, Japan, Australien sowie Europa.
Im pazifischen Raum waren wohl die Spannungen zwischen China und den USA Hauptmotor der Aufrüstung. Weniger klar sind die Ursachen in Europa. Allein Westeuropa gab 2021 fast 50 Milliarden Dollar oder 21 Prozent mehr für das Militär aus als 2015. Warum? Einerseits stieg in Mittel- und Osteuropa die Furcht vor Russland. Andererseits gelangten als Folge der Kriegseskalation in Syrien 2015 und 2016 mit jeweils rund 1,3 Millionen mehr als doppelt so viele Flüchtlinge nach Europa als zuvor. In vielen Staaten löste dies einen kräftigen Rechtsrutsch aus. Nationale Abwehr war nun angesagt anstelle der internationalen Solidarität und von vorausschauenden Investitionen in die gemeinsame Zukunft.
Die Abwehr wurde auch militärisch exportiert. Öffentlich wenig diskutiert, befanden sich aus Europa wieder bedeutende Truppenkontingente im Maghreb. Und wiesen die Anrainerstaaten am Mittelmeer noch so brutale Regierungen auf – solange sie mithalfen, Geflüchtete abzuwehren, spielten all die Reden über Demokratie, Menschenrechte und soziale Entwicklung plötzlich keine Rolle mehr.
Die Coronapandemie trug zusätzlich dazu bei, die eigenen Probleme für dringender zu halten als jene im Globalen Süden. Wie der im April 2023 erschienene UNO-Bericht zur Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung zeigt, wird die Kluft zwischen Ländern, die Zugang zu erschwinglicher Entwicklungsfinanzierung haben, und solchen, die dies nicht haben, immer grösser. Der reiche Norden musste nicht sparen. Er konnte sowohl die Militärausgaben als auch die Investitionen in den eigenen Aufschwung massiv erhöhen. Dank der schuldenfinanzierten expansiven Finanz- und Geldpolitik kehrte er bald auf den Wachstumspfad von vor der Pandemie zurück.
Der Globale Süden war dazu jedoch nicht in der Lage. Vielmehr war hier Sparen angesagt. Denn die ärmsten Länder sind auf den Finanzmärkten mit Zinssätzen konfrontiert, die bis zu achtmal höher sind als die der Industrieländer – eine Schuldenfalle. Ein Drittel der 46 am wenigsten entwickelten Staaten (LDC) ist heute akut vom Staatsbankrott bedroht. Mehr als 40 Prozent der in extremer Armut lebenden Menschen leben in Ländern mit hohen Schuldenproblemen.
Auch bezüglich Klimakrise können es sich die Industrieländer leisten, für Anpassung und Widerstandsfähigkeit zu zahlen, viele der Entwicklungsländer aber nicht. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine verschärfte und beschleunigte die globale Lebenskostenkrise zusätzlich. Allein die gestiegenen Lebensmittelpreise betreffen Hunderte von Millionen unmittelbar. Die Zahl der Hungernden nahm zuletzt weltweit um über 200’000 Personen zu – pro Tag.
Dennoch zeigen die im April 2023 veröffentlichten Zahlen der OECD, dass die Geberstaaten 2022 ohne Not am falschen Ort sparten. Die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) ging gegenüber dem Vorjahr um 8,1 Prozent zurück, sofern die Ausgaben für die Ukraine und für die (im Inland aufgewendete) Asylhilfe unberücksichtigt bleibt.
Die Ursache dafür liegt nicht bei der kräftigen Erhöhung der Militärausgaben in den USA, China und Europa. Geld wäre ausreichend vorhanden. Die Austrocknung der illegalen Finanzströme und Einrichtung eines gerechten Steuersystems würden längst ausreichend Mittel generieren, wie die UNO-Generalversammlung in ihrer Resolution 77/244 jüngst wieder betonte. Noch weniger ist die Vernachlässigung des Südens mit der Militärhilfe an die Ukraine zu erklären; die 54 Mitglieder der Ramsteiner Unterstützungsgruppe wandten 2022 für die Ukrainehilfe ganze 2,25 Prozent ihrer Militärausgaben auf.
Geändert hat sich aber der Schwerpunkt der politischen Aufmerksamkeit. Diese ist in den USA und Europa gänzlich auf den Ukrainekrieg fokussiert – wie wenn es die anderen Kriege und Krisen weltweit gar nicht mehr geben würde. Frieden und Sicherheit sind in einer globalisierten Welt aber unteilbar geworden. Der Globale Süden wird noch weiter zurückfallen, wenn er nicht über die Mittel verfügt, um in eine nachhaltige Entwicklung und die Umgestaltung seiner Energie- und Ernährungssysteme zu investieren. Wollen wir eine lebenswerte Zukunft in Frieden und Sicherheit, so müssen wir uns beides leisten: eine grosszügige und wirksame Unterstützung der Ukraine und ausreichend Mittel zur Umsetzung der UNO-Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens.
NZZ-Afrikakorrespondent Fabian Urech kommentierte das «Desinteresse des Westens» am «Treffen der Vergessenen», das Anfang März 2023 in Doha stattfand, deshalb höchst kritisch. Die Staats- und Regierungschefs der 46 ärmsten Staaten (LDC) wiesen auf die verheerenden Folgen der Pandemie, der Klimakrise und des Ukrainekrieges für die meisten der 1,1 Milliarden Menschen hin, die in ihren Ländern leben.
Urech betont zu Recht, dass es nicht allein um eine humanitäre, sondern auch um eine zutiefst politische Frage geht, wenn jetzt Gelder, die bisher an die ärmsten Länder in Afrika oder Südasien gingen, zunehmend in die Ukraine und das heimische Asylwesen fliessen. Denn längst gibt es für die ärmsten Staaten Alternativen zur Partnerschaft mit dem Westen. China und Russland warten nur darauf, von einem allfälligen Rückzug des Westens zu profitieren und ihren Einfluss auszuweiten. China schwang sich in den vergangenen zehn Jahren zum Top-Investor in den ärmsten Ländern auf. Seine Investitionen in den 46 LDC-Staaten haben sich verdreifacht. Ebenso deutlich nahm in dieser Zeitspanne Pekings politischer Einfluss vor Ort zu. Auch Russland ist bemüht, unter den Ärmsten neue Verbündete zu finden. Die Soldaten der Gruppe Wagner sind inzwischen in mindestens fünf LDC-Staaten präsent. Zudem ist Russland der grösste Exporteur von Waffen nach Afrika.
Wenn der Westen einschliesslich Schweiz bei der Unterstützung für die Ärmsten nun den Rotstift ansetzt, so sei das zumindest äusserst kurzsichtig: «Hilfe ist nie nur ein Akt der Solidarität, sie liegt oft auch im Eigeninteresse der Geber. In einer Welt, die zunehmend aus den Fugen gerät, trifft das vielleicht gar in besonderem Masse zu», hält Urech dazu fest.
Auch die Schweiz spart zulasten ihrer globalen Mitverantwortung. Sie kürzte laut OECD ihre öffentliche Entwicklungszusammenarbeit 2022 gegenüber dem Vorjahr um 8 Prozent, wenn statistisch die Asylhilfe nicht mitgezählt wird, die ja im Inland ausgegeben wird. Anders als andere OECD-Staaten ist die Schweiz tatsächlich zum Sparen verpflichtet, sofern sie in anderen Bereichen wie der Armee die Ausgaben erhöht. Die Schuldenbremse zwingt dazu, jeden Franken am einen Ort einzusparen, der am anderen Ort zusätzlich ausgegeben wird.
Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, steigen die Militärausgaben der Schweiz bereits seit 2014 kräftig an. Dem Verteidigungsdepartement gelang es, die Trendumkehr in der Botschaft über das damalige Konsolidierungsprogramm in Artikel 4 «Sparaufträge» zu verpacken. Der angebliche «Sparauftrag» bestand in der markanten Erhöhung der Ausgaben für die Armee von 4,1 (2014) auf 4,7 Milliarden Franken (2016). «Die Spar-Tonalität der Armee und jener, die nun mit Vehemenz für eine Fünf-Milliarden-Armee kämpfen, ist irreführend und strotzt geradezu vor Dreistigkeit. Trotz äusserst komfortabler Sicherheitslage der Schweiz gehen die Ausgaben für die Landesverteidigung nämlich seit einigen Jahren nicht mehr zurück, sondern sind im Gegenteil der am stärksten wachsende Ausgabenbereich des Bundes überhaupt», setzte sich die damalige SP-Nationalrätin und heutige Regierungsrätin Evi Allemann vergeblich zur Wehr.
Das Vorgehen ist immer dasselbe. Einer sehr lauten Gruppe am rechtsnationalen Rand gelingt es, im Parlament Mehrheiten für extreme Steigerungsziele der Militärausgaben zu bilden. Wenn der Bundesrat diese Beschlüsse anschliessend als finanzpolitisch nicht umsetzbar entlarvt, jammert die bürgerliche Mehrheit über das angebliche «Sparen» bei der Armee. Worauf auch die Leitmedien über angebliches «Sparen» bei den Armeeausgaben zu schreiben beginnen, obschon diese kontinuierlich wachsen.
Den letzten solchen Coup landete die bürgerliche Mehrheit im März 2022 unmittelbar nach dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine mit zwei gleichlautenden Motionen im National- und Ständerat, die wenig später überwiesen wurden. Sie fordern, die Armeeausgaben bis 2030 auf 1 Prozent des BIP zu erhöhen. Bundesrätin Viola Amherd schwadronierte, das lasse sich problemlos finanzieren. Viele Parlamentarier*innen meinten, es gehe um eine Erhöhung von 5 auf 7 Milliarden Franken. Heute wissen wir, dass 2030 1 Prozent des BIP eine 9,4-Milliarden-Armee bedeutet – mehr als das Doppelte (225 Prozent) von 2014.
Am 10. März 2023 machte der Bundesrat klar, das 1-Prozent-Ziel sei frühestens 2035 erreichbar – worauf auf bürgerlicher Seite erneut das «übermässige Sparen bei der Armee» beklagt wurde. Obschon die Militärausgaben mit 5,1 Prozent jährlich weiterhin der am stärksten wachsende Aufgabenbereich des Bundes sind und 1 Prozent im Jahre 2035 (je nach Wirtschaftswachstum) eine 10,3- bis 10,8-Milliarden-Armee bedeuten würde.
Das ist umso dreister, als der Bundesrat im November 2022 in seinem Zusatzbericht zur Sicherheitspolitik bekräftigt hat, dass die militärische Lage der Schweiz unverändert gut ist und auf lange Sicht kein Angriffsrisiko besteht. Dennoch liegt der Schwerpunkt der Aufrüstungspläne des VBS bei militärischem Grossgerät, als ob die Russen schon morgen mit Panzer und Artillerie am Bodensee oder in Chiasso auftauchen könnten. Das ist völlig abwegig. Wenn es Russland nicht einmal über den Dnjepr schafft, ist es auf lange Sicht ausgeschlossen, dass Russland die gesamte NATO überrennt und an der Schweizer Grenze auftaucht.
Wie strategielos die Aufrüstungspläne sind, zeigt sich auch in der Schutzlosigkeit gegenüber militärischen Risiken, die durchaus dem Bereich des Möglichen zuzurechnen sind. Dazu gehören terroristische Angriffe auf exponierte Konferenzen im internationalen Genf mit Minidrohnen oder mit Sportflugzeugen, vollgepackt mit Sprengstoff. In diesem Bereich ist die Schweiz aber gänzlich wehrlos. Lücken gibt es auch bei der öffentlichen Sicherheit im Innern. So ist die Schweiz das einzige europäische Land, das gegenüber der gezielten Verunsicherung der Bevölkerung mittels massenhafter, meist von aussen gesteuerter Desinformationskampagnen keinerlei Gegenmassnahmen vorbereitet hat.
Will die Schweiz tatsächlich einen Beitrag zur europäischen Sicherheit leisten, so muss sie nicht Milliarden in die militärische Landesverteidigung ab Schweizer Grenze investieren, sondern die Ukraine unterstützen und die Geldflüsse an Russland unterbinden. Wie der wachsende Druck der G-7-Staaten zeigt, kann es sich die Schweiz aussenpolitisch nicht mehr leisten, an ihrer jahrhundertealten Kriegsgewinnler-Tradition festzuhalten und kaum zur Unterstützung der Ukraine beizutragen. Die Zahlen sind imposant: Die Schweiz hat Russland allein im Kriegsjahr 2022 für 88 Milliarden US-Dollar Rohstoffe abgekauft und blockierte von den rund 200 Milliarden russischen Vermögenswerten auf Schweizer Bankkonten bisher bloss 7,5 Milliarden – und lehnt Einziehungsverfahren strikte ab.
Was die Unterstützung der Ukraine anbelangt, gehört die Schweiz gleichzeitig zu den Schlusslichtern in Europa. Laut dem Kieler Weltwirtschaftsinstitut und seinem Ukraine-Support-Tracker leistete die Schweiz der Ukraine gemessen am BIP bisher mit 0,03 Prozent zehnmal weniger Hilfe als die beiden Schlusslichter der EU, Zypern und Malta mit 0,3 Prozent. Und dreissig- bis vierzigmal weniger als die baltischen Staaten und Polen mit 0,9 Prozent bis 1,3 Prozent.
Das ist umso beschämender, als die Schweiz laut SECO der drittgrösste Investor in der Ukraine ist. Wenn es ums Geschäft geht, mischt die Schweiz also ganz vorne mit. Bei genauerem Hinsehen dient ein grosser Teil dieser Investitionen allerdings der Steuervermeidung. Es handelt sich um rezyklierte Vermögen von ukrainischen Oligarchen. Sie nutzen den Umweg über die Schweiz, um sich ihrer Steuerpflicht zu entziehen, wie der ukrainische Ökonom Rostyslav Averchuk aufgezeigt hat. Das Ausmass ist derart gross, dass dem ukrainischen Staat durch diese «Dienstleistung» des Steuervermeidungsstandortes Schweiz deutlich mehr finanzielle Mittel entzogen werden dürften, als die magere humanitäre Hilfe der Schweiz ausmacht.
Um mikroskopisch winzige Mengen geht es demgegenüber beim international intensiv diskutierten Verbot der Wiederausfuhr von Kriegsmaterial, das die Schweiz früher an Deutschland, Dänemark und Spanien geliefert hat und das diese Länder an die Ukraine weitergeben möchten. Es zeigt das moralische Dilemma einer Schweiz auf, die neutralistisch nicht zwischen dem Angreifer und dem Überfallenen unterscheidet und wichtige Sanktionen nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen die Ukraine verhängt hat. Ich unterstütze jene Mehrheit in der SP, die das Wiederausfuhrverbot aufheben will, sofern zwei Drittel der UNO-Generalversammlung einen Verstoss gegen das Aggressionsverbot festgestellt haben. Positioniert sich die Schweiz nicht auf der Seite der UNO-Charta, unterstützt sie de facto die russische Aggression.
Wie schief die Schweiz ihre Prioritäten gesetzt hat, zeigt sich zudem in der Finanzplanung des Bundesrates, die er am 10. März 2023 präsentiert hat. In den Jahren 2025 bis 2028 will er für die Armee 26 Milliarden Franken ausgeben (jährlich plus 5,1 %) und für die internationale Zusammenarbeit 10,6 Milliarden Franken (plus 2,5 %). In letzteren Betrag sind die gesamte Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe mitsamt Ukraine eingeschlossen. Für Umwelt und Klima sieht der Bundesrat 2,2 Milliarden Franken vor (plus 2,2 %). Zählen wir die Ausgaben für die internationale Zusammenarbeit und Umwelt- und Klimapolitik zusammen, so kommen wir mit 12,8 Milliarden auf weniger als die Hälfte der Ausgaben für die Armee und gar auf einen tieferen Betrag als allein für die Landwirtschaft (13,7 Milliarden).
Im wohlverstandenen Interesse der Schweiz – Stärkung der europäischen und globalen Sicherheit durch Bewältigung und Vorbeugung von echten statt fantasierten Risiken – müsste es genau umgekehrt sein: die Hälfte für die Armee und mindestens das Doppelte je für internationale Zusammenarbeit und die Umwelt- und Klimapolitik. Stattdessen hat der Bundesrat die Armee explizit von jeder Sparauflage ausgenommen. Unter dem Diktat der Schuldenbremse verstärkt dies umso mehr den Spardruck auf alle anderen Aufgabenbereiche des Bundes – Bildung, Klima, Umwelt, Soziales, Entwicklungszusammenarbeit usw.
Was mich dabei am meisten erschreckt: Über das Ausmass dieser schiefen Prioritätensetzung gibt es weit und breit keine mediale Berichterstattung geschweige denn eine sachkundige politische Diskussion.●
*1955, ist Historiker und war bis 2020 Fachreferent der SP für Aussen-, Friedens- und Sicherheitspolitik.