Nicht mehr zu früh!

Andrew Drummond, 24. März 2025
Neue Wege 2.25

Vor fünfzig Jahren, als ich in Tübingen Germanistik studierte, hatte ein Kommilitone aus Oberschwaben ein Plakat an der Wand mit dem Satz: «1525: zu früh!». Dieser Satz war für einen jungen Schotten sicher ein Rätsel – es war das erste Mal, dass ich von irgendeinem Bauernkrieg hörte.

Zwei Jahre lang studierte ich den Bauernkrieg und Thomas Müntzer. Im Jahrzehnt danach verfasste ich Artikel und versuchte, eine Biografie Müntzers zu schreiben. Aber ich musste auch meinen Lebensunterhalt verdienen, der mich weit weg von der Reformation und dem Bauernkrieg führte. 1525 vergass ich gewiss nicht; erst 2015 konnte ich mich wieder damit beschäftigen. Und meine Begeisterung hatte nicht nachgelassen.

Der Bauernkrieg von 1525 war eine soziale Revolution, die mit einem konzertierten Angriff auf die verrotteten Strukturen und die korrupte Macht der römischen Kirche zusammenfiel. Die Freiheit eines Christenmenschen verkündete Luther 1520. Fünf Jahre später kämpften die Rebellen für diese Freiheit; Luther hatte ihnen versehentlich den Slogan gegeben, den ein vereinter Aufstand so dringend brauchte. Aber Luther hatte seine Ideen nicht aus dem Nichts gezaubert wie Kaninchen aus dem Hut: Er brachte die Bedürfnisse einer aufstrebenden Kapitalistenklasse und einer herrschenden Klasse zum Ausdruck, die Unabhängigkeit von Rom und dem Kaiserreich suchte. Unabsichtlich spiegelte er auch die dringenden Bedürfnisse der Bauern wider, die frei von feudalen Lasten und Beschränkungen sein wollten – die grossartigen Zwölf Artikel aus Memmingen fassten ihre Forderungen zusammen, und diese erklärten ausdrücklich, dass sie mit «Gottes Wort» im Einklang stünden.

Als Atheist fand ich die Verbindung zwischen Kirchenreform und sozialer Revolution zuerst problematisch. Wie konnte ich den weitverbreiteten Glauben der Bauern von 1525 – dass Gott auf ihrer Seite war – mit meiner Ansicht vereinbaren, dass es überhaupt keine Gottheit gibt? Natürlich konnten die Menschen des 16. Jahrhunderts nicht ausserhalb eines religiösen Rahmens denken. Aber vielleicht verschwindet das Problem, wenn man die religiöse Debatte durchdringt und sich der wesentlichen Frage zuwendet: Was wollten die Bauern, ihre Familien und die Stadtbewohner*innen tatsächlich in ihrem sehr realen Kampf gegen die herrschende Klasse? Der Bauern­aufstand, obwohl von religiösen Lehren genährt, drehte sich nicht in erster Linie um die Religion; es ging um die schädlichen Auswirkungen einer ausbeuterischen Wirtschaft auf das tägliche Leben. Der «gemeine Mann» machte ein einfaches und völlig subjektives Prinzip («Freiheit») zu seinem Schlachtruf und, gestärkt durch sein einfaches Verständnis der Grundlehren des Christentums, stürzte beinahe die Macht der herrschenden Klasse.

Warum ist der Bauernkrieg von 1525 für uns heute wichtig? Eben deshalb: Die Probleme von vor 500 Jahren sind gar nicht verschwunden. Die Zerstörung und Privatisierung von Land, Wasser und Wald; die Ausbeutung der Arbeitskraft; der verzweifelte Mangel an spirituellem Trost; das Fehlen von allem, was konsequenter Gerechtigkeit ähnelt – das waren die gemeinsamen Sorgen bei der Geburt des Kapitalismus im späten 15. Jahrhundert. Und sie begleiten uns noch heute, in fast jedem Winkel der Erde.

Wir können die Beschwerden der Bauernschaft von 1525 fast problemlos auf die gesellschaftliche Situation unserer Zeit übertragen: die Zerstörung der Ressourcen unseres Planeten; die rücksichtslose Ausbeutung billiger Arbeitskräfte; das Versagen der bürgerlichen Demokratie und des Rechtssystems; die reizlosen Echokammern der sozialen Medien; die rücksichtslose Suche nach Profit bei der Befriedigung unserer grundlegendsten Bedürfnisse; und die Konzentration von Macht und Reichtum in den Händen einiger weniger. Überall zerstören die egoistischen Interessen des Kapitalismus das Leben und gefährden unseren Planeten.

Vielleicht ist es an der Zeit, sich von all jenen inspirieren zu lassen, die 1525 rebellierten, und zu sagen, dass es nicht mehr «zu früh» ist? Ja, und auch nicht «zu spät»!

  • Andrew Drummond,

    *1952, ist der Autor von The Dreadful History and Judgement of God on Thomas Müntzer (Verso, London 2024). Er ­studierte an der Universität Aberdeen und am King’s College, London, und hat mehrere Romane und historische Studien veröffentlicht.