«Ich habe Angst, dass die Körper verschwinden», antwortete die Choreografin Doris Uhlich, als ich ihr mitteilte, dass «Tanz in Bern» dieses Jahr nicht stattfinden würde.
Weg sind sie, die Körper. Sie sterben, sie sind in Krankenhäusern, in Quarantäne, in Isolation. Und sie sind weg von den Tribünen und Bühnen der Theater. Keine Körperchoreografien, keine Body-Performances, kein Tanz mehr.
Seit dem ersten Lockdown haben wir – das Dampfzentrale-Team – alles dafür getan, um die Begegnung mit der Kunst und mit den Körpern wieder zu ermöglichen: ständig neue Schutzkonzepte, Lösungen finden, weitermachen. All das erschöpfte uns. Wir haben uns, gemeinsam mit unserer Künstler*innenfamilie, gegen die sofortige Verlagerung der Kunst ins Netz entschieden. Die Sinnlichkeit des Tanzes und der Musik stirbt angesichts zweidimensionaler Bildschirme und Datenströme ab.
Auf den ersten Lockdown folgte die Vorfreude auf den Herbst, unsere veranstaltungsintensivsten Monate. Inzwischen wussten wir viel über Infektionsgemeinschaften, Testing und europaweites Reisen. Peeping Tom baute gerade für die Schweizer Premiere von Diptych auf, als der Regierungsrat des Kantons Bern alle Theater schliessen liess. Der Entscheid traf uns am Abend vor der Eröffnung mit grösster Wucht.
Für eine lebensfähige, demokratische Gesellschaft ist die Kunst, die uns Reflexionsort, Schönheit und Transzendenz eröffnet, unerlässlich. Es braucht Körper in Theatern. Um die Sinnlichkeit wiederzuerlangen, braucht es jetzt aber vor allem eins: die Überwindung der Pandemie.
Ich vermisse Körper. Wir kommen einander gerade abhanden. Das ist ein Vermissen auf Zeit, denn: Körper werden nicht verschwinden – unabhängig ob gesunde, angeschlagene, kranke, grössere, kleinere, Körper mit familiärer Migrationsgeschichte, BIPoC1, Körper mit oder ohne Einschränkungen. Unsere Körper ermöglichen uns, diese Welt zu erleben. Passen wir auf sie und aufeinander auf bis zu einem fulminanten Wiedersehen.