Diese Bewegung von Diesseits zu Jenseits zu Diesseits ist für die Eschatologie – die Lehre von den letzten Dingen – typisch. Weil es vor allem präsentischer Eschatologie nicht um Weltflucht geht, sondern auch nach hoffnungsstiftenden Motiven und Orientierung für die Gegenwart gesucht wird. Damit verbunden sind auch existenzielle Fragen nach Gerechtigkeit und Anerkennung: Welche Lebensrealitäten und Beziehungsformen sind würdig genug, um als Metapher fürs jenseitige Leben dienen zu können?
Alle drei von mir vorgestellten Entwürfe tendieren zu promiskuitiven, polyamoren Metaphern bis hin zu Vorstellungen von himmlischen Orgien, wenn sie Beziehungen im Eschaton imaginieren. Sie denken Sexualität fernab von binären Normen und begründen dies von Gottes grenzenloser Liebe her. Gottes Liebe strebt nicht nach Bedürfnisbefriedigung, sondern nach tiefer Verbindung und lässt sich nicht einmal durch Beziehungsgrenzen begrenzen. Auch wenn die Entwürfe mehr oder weniger bewusst provozieren, indem sie von einem polyamoren Himmel und Orgien sprechen, stehen dahinter die existenzielle Sehnsucht nach ganzheitlicher Verbindung und die Hoffnung auf Anerkennung diesseitig gelebter Beziehungen über den Tod hinaus.
Mit Ansätzen, die sich von gelebter Sexualität inspirieren lassen, sind Vor- und Nachteile verbunden. Einerseits stellen sie wenig beachtete und marginalisierte Lebensrealitäten ins Zentrum, andererseits haben sie mit der Schwierigkeit umzugehen, dass gerade sexuelle Erfahrungen von Versagen und Gewalt durchzogen sein können. Die drei Entwürfe gehen unterschiedlich mit diesen Schwierigkeiten um. Einer der Entwürfe traut der Metapher der himmlischen Orgie so wenig Gegenwartsrelevanz zu, dass er doch wieder die monogame (eheliche) Paarbeziehung ins Zentrum stellt. Dabei unterschlägt der Entwurf, dass diese Paarbeziehungen ebenso von missbräuchlichem Charakter sein können wie polyamore Verbindungen. Dafür sprechen insbesondere Zahlen zu sexuellen und sexualisierten Gewalterfahrungen im häuslichen Umfeld.
Insgesamt berücksichtigen alle Entwürfe Gewalterfahrungen kaum oder handeln sie mit der Hoffnung auf Heilung vorschnell ab. Eine meiner Schlussfolgerungen ist deshalb, dass es wesentlich ist, Gewalterfahrungen überhaupt erst zu thematisieren. Weiter ist es mir wichtig, dass Sexualität aus der vermeintlichen Privatsphäre und Anonymität befreit werden und mit einer spielerischen Auseinandersetzung entskandalisiert und enttabuisiert werden sollte – besonders auch im christlichen Diskurs. Deshalb erweitere ich am Ende meines Beitrags das Feld der eschatologischen Metaphern um eine weitere Metapher: Beziehungsanarchie.