Neue Wege 9.20: Wirtschaft ist Care

Redaktion Neue Wege, 23. August 2020
Neue Wege 9.20

«Ohne Care gibt es keine Menschen. Ohne Menschen braucht es keine Wirtschaft», so der Verein «Wirtschaft ist Care». Dass alle Menschen bedürftig und verletzlich sind, zeigt gerade Corona deutlich auf. Das Sorgearbeit überlebenswichtig ist, kann spätestens jetzt nicht mehr geleugnet werden. Die Septembernummer der Zeitschrift Neue Wege ist in der Auseinandersetzung und als Kooperation mit «Wirtschaft ist Care» entstanden.

«Ökonomie ist die sorgsame, umsichtige Befriedigung der Bedürfnisse von Milliarden menschlichen Würdeträger*innen, die, samt ihren Nachkommen, im grosszügigen, verletzlichen und bedrohten Lebensraum Erde gut leben wollen.» So formuliert es Ina Praetorius, Gründungsmitglied von «Wirtschaft ist Care». Ihr geht es um einen Paradigmenwechsel, der die Bedürftigkeit der Menschen ins Zentrum der Wirtschaft stellt.

Die siebte Schweizer Frauen*synode hätte am 5. September 2020 in Sursee zum Thema «Wirtschaft ist Care» stattfinden sollen. Die Konferenz wird stattdessen in einem Jahr durchgeführt. Aber die Debatte lässt sich nicht verschieben – die Neuen Wege bieten den Raum dazu. Die Theologin Regula Grünenfelder, Mitorganisatorin der Frauen*synode, und die Ökonomin Adelheid Biesecker – bekannte Pionierin der Care-Ökonomie beziehungsweise des Vorsorgenden Wirtschaftens – kritisieren im Gespräch die herrschende Logik von Effizienz und Gewinnsteigerung in der Wirtschaft. Sie setzen ihr feministische Perspektiven entgegen: Das Ausgegrenzte – die abgewertete, grossteils unbezahlte Arbeit und die Regeneration der Natur – muss wieder in ihre Mitte der Wirtschaftsordnung. Dass gerade abgewerteten Arbeiten häufig von Schwarzen Care-Arbeiter*innen geleistet werden, zeigt das Gespräch mit der Aktivistin June Barrett. Sie setzt sich als Mitglied der National Domestic Workers Alliance in den USA für die Rechte von Hausangestellten ein, deren Lebens- und Arbeitsbedingungen auf vielfältige Weise prekär sind. Die Allianz schafft es, den Anliegen von Care-Arbeiter*innen auch in der Politik Gehör zu verschaffen.

Feline Tecklenburg, Politikwissenschaftlerin und ebenfalls für die Organisation der Frauen*synode tätig, macht in ihrem Beitrag deutlich, dass die Transformation der Ökonomie ein politisches Projekt ist: «Wie mit unseren gemeinsamen Gütern umgegangen wird, ist eine Frage, die auf politischer Ebene mit möglichst allen Betroffenen ausgehandelt werden muss. Welches politische System unterstützt dabei welches Wirtschaftssystem?» Der Schriftsteller Jürgmeier versetzt die Leser*innen mit seinem nachdenklichen Beitrag ins Alterszentrum Abendruh und spürt der alltäglichen Bedeutung von Care in Zeiten von Corona nach, in denen «nicht nur Politiker*innen gezwungen waren, schneller zu handeln, als zu denken».

Diese Ausgabe der Neuen Wege erscheint mit den Erwägungen, dem Journal der Theologischen Bewegung für Solidarität und Befreiung. Momentaufnahmen aus Südafrika, Panama, Haiti, Irak, Äthiopien und El Salvador beleuchten das Thema «Corona in den Ländern des Südens: eine Krise neben vielen anderen».

Inhalt

Wirtschaft ist Care. Was sonst?
Ina Praetorius

Das Sorgende und Vor­sorgende ins Zentrum stellen
Neue Wege-Gespräch mit Adelheid Biesecker und Regula Grünenfelder

Es geht ums Ganze: Wirtschaft ist Care ist Politik
Feline Tecklenburg

Für die Rechte von Haus­an­gestellten sorgen
Susanne Andrea Birke im Gespräch mit June Barrett

Letzte Liebe oder Die schützende Falle
Jürgmeier

Anstoss!: Arthur
Iren Meier

Lesen: Starke linke Erzählungen
Geneva Moser

Lesen: Jenseits von vulgärmarxis­tischer Religionskritik
Sabine Plonz

Gefühlsduselei: Die Literatur­fähigkeit des Körperalltags
Geneva Moser

Nadelöhr: Diskriminieren verlernen
Matthias Hui

Beilage:
Erwägungen - Journal 2/2020 der Theologischen Bewegung für Solidarität und Befreiung:
Corona in den Ländern des Südens: eine Krise neben vielen anderen

Bestellung (Einzelheft, 32 Seiten, CHF 10.-): 

Administration Neue Wege
Postfach 1074
8048 Zürich
Tel. 044 447 40 46

info@neuewege.ch

Redaktion Neue Wege
redaktion@neuewege.ch

 

Herzliche Einladung zur Heftvernissage am Samstag, 5. September 2020, um 14.30 Uhr im Kirchgemeindehaus Offener St. Jakob (Stauffacherstrasse 8/10, Zürich).